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Wer Kinder hat, erhält von der AHV Erziehungsgutschriften. Das ist ein fiktives jährliches Einkommen von derzeit 45'360 Franken. Dieses Einkommen wird den Eltern gutgeschrieben, bis das jüngste Kind das 16. Altersjahr erreicht hat. Bei der Pensionierung führt das fiktive Einkommen zu einer höheren AHV-Altersrente. Mit dem Bundesgerichtsurteil 9C_431/2024 vom 3. Juli 2025 hat das Bundesgericht entschieden: Der Grundsatz der hälftigen Teilung der Erziehungsgutschriften bleibt bei Ehepaaren für die gesamte Ehedauer bestehen, und zwar unabhängig vom Anteil an der Kindererziehung der beiden Ehepartner. Aber: Konkubinatspaare können im Gegensatz zu Ehepaaren vereinbaren, wie sie die Erziehungsgutschriften aufteilen. Und gibt es im Konkubinat keine Vereinbarung, werden die Erziehungsgutschriften seit dem 1. Januar 2015 der Mutter zugewiesen.

Eine Frau im Kanton Neuenburg wehrt sich gegen die hälftige Teilung
Die Ausgleichskasse des Kantons Neuenburg legt 2023 die Höhe der AHV-Rente für eine 64-jährige Frau fest, deren Ehemann noch nicht im AHV-Alter war. Für die Jahre, in denen sie sich bei einem reduzierten Erwerbsgrad um die noch unter 16-jährigen Kinder gekümmert hat, wurden ihr wie gesetzlich vorgesehen hälftige Erziehungsgutschriften angerechnet.
Die Ehefrau gelangt ans Kantonsgericht Neuenburg und verlangt, dass ihr die Erziehungsgutschriften so lange in vollem Umfang anzurechnen seien, bis mit der Pensionierung ihres Mannes auch das gesplittete Einkommen zu ihren Gunsten berücksichtigt werde.

Das Kantonsgericht stellt eine Diskriminierung fest und gibt der Frau recht
Das Kantonsgericht hiess die Beschwerde der Ehefrau gut. Das Gericht kommt zum Schluss, dass eine indirekte Diskriminierung wegen des Geschlechts im Sinne von Artikel 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vorliege. Frauen würden häufiger Teilzeit arbeiten als Männer. Die Höhe der AHV-Rente einer Person hänge damit massgeblich vom Geschlecht ab, solange ihr Ehepartner noch nicht im Rentenalter sei. Im konkreten Fall seien deshalb der Frau die ganzen Erziehungsgutschriften anzurechnen.

Das Bundesgericht hebt das Urteil auf und bestätigt die hälftige Teilung
Der Fall gelangt ans Bundesgericht. Dieses urteilt: Laut Gesetz werden die Erziehungsgutschriften bei verheirateten Personen während der Kalenderjahre der Ehe hälftig aufgeteilt (Artikel 29sexies Absatz 3 des «Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung AHVG»). Mit den Erziehungsgutschriften soll die sozial wichtige Aufgabe der Kindererziehung honoriert werden. Die Erziehungsgutschriften werden indessen unabhängig vom Nachweis einer deswegen erfolgten Reduktion oder Aufgabe einer Erwerbstätigkeit ausgerichtet. Insofern haben die Erziehungsgutschriften keine zwingenden Auswirkungen auf die Gestaltung des Familienlebens. Das Urteil der Vorinstanz ist deshalb aufzuheben und der Entscheid der Ausgleichskasse des Kantons Neuenburg zu bestätigen.

«Neue Zürcher Zeitung»: «Eine Heiratsstrafe in der AHV für Mütter»
Unter dem Titel «In der AHV gibt es auch eine ‘Heiratsstrafe’ für Mütter – doch das Bundesgericht will das nicht ändern» schreibt die «Neue Zürcher Zeitung» am 25. August 2025: «Politisch brisant ist das Urteil des Bundesgerichts deshalb, weil der Bund selbst von seiner bisherigen Praxis abgerückt ist – allerdings nur bei Konkubinatspaaren sowie Geschiedenen. Seit 2015 ist es im Konkubinat oder bei Geschiedenen den beiden Elternteilen überlassen, ob beide je die Hälfte oder ein Elternteil die gesamte Erziehungsgutschrift erhalten soll. Liegt keine Vereinbarung vor, so geht der Bonus automatisch an die Mutter.
‘Man muss sich fragen, warum Konkubinatspaare frei über die Erziehungsgutschriften entscheiden können, während dies für Verheiratete nicht möglich sein soll’, kritisiert denn auch ein Experte das Bundesgerichtsurteil. Er spricht daher von einer ‘Heiratsstrafe in der AHV für die Mütter’».

Weshalb dürfen Konkubinatspaare frei entscheiden und Ehepaare nicht?
Die «Neue Zürcher Zeitung» schlussfolgert in ihrem Artikel: «Zwar führt die Erziehungsgutschrift zu einer Aufbesserung der AHV-Rente. Doch je nach Zivilstand profitieren die Eltern sehr unterschiedlich davon. Wünschbar wäre eine politische Klärung, ob künftig auch Verheiratete die Wahlfreiheit bei der Aufteilung der Erziehungsgutschriften erhalten sollen.»

 

 
 

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