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Martin Bürkle (Bild) ist als Fachanwalt SAV Haftpflicht- und Versicherungsrecht seit 2016 Partner in der Anwaltskanzlei Thouvenin Rechtsanwälte KLG, Zürich. Er ist im Haftpflichtrecht, Sozialversicherungsrecht sowie im Versicherungsvertragsrecht sowohl beratend als auch prozessierend tätig. Im Gespräch mit den «ABC-E-News» erläutert Martin Bürkle namentlich, wann die obligatorische Schweizer Unfallversicherung UVG aufgrund der Kausalität leistungspflichtig ist und wann nicht.

Martin Bürkle, was zeichnet die obligatorische Unfallversicherung UVG aus?
Martin Bürkle: Die obligatorische Schweizer Unfallversicherung nach Unfallversicherungsgesetz UVG zeichnet sich dadurch aus, dass alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Schweiz gegen Berufs- und Nichtberufsunfälle sowie Berufskrankheiten versichert sein müssen. Selbstständig Erwerbende können sich freiwillig versichern.

Welche Leistungen erbringt die obligatorische Unfallversicherung UVG?
Martin Bürkle: Die obligatorische Unfallversicherung übernimmt Heilungskosten wie Spitalaufenthalte, Medikamente, Rehabilitationsmassnahmen, Hauspflege, benötigte Hilfsmittel sowie Rettungs- und Bergungseinsätze. Bei Arbeitsunfähigkeit zahlt sie ein Taggeld in Höhe von 80 Prozent des letzten AHV-pflichtigen Lohnes, beginnend ab dem dritten Tag nach dem Unfall. Im Falle von Invalidität besteht Anspruch auf eine Invalidenrente, je nach Grad der Invalidität bis zu 80 Prozent des versicherten Lohns. Auch Hinterbliebene nach Todesfällen erhalten gesetzlich festgelegte Rentenleistungen. Bei dauerhafter erheblicher Schädigung wird eine sogenannte Integritätsentschädigung als einmalige Kapitalleistung ausbezahlt. Wenn nach dem Unfall eine dauernde Hilflosigkeit entsteht, wird eine Hilflosenentschädigung gewährt.

Wann muss die Unfallversicherung UVG Leistungen erbringen und wann nicht?
Martin Bürkle: Damit die Unfallversicherung nach UVG eine Leistung wie Heilungskosten, Taggeld oder Invalidenrente zahlen muss, braucht es einen Zusammenhang, in der Fachsprache Kausalität, zwischen dem Unfall und dem Schaden wie eine Verletzung oder Invalidität. Der Unfall muss für einen Gesundheitsschaden also ursächlich sein. Besteht keine Kausalität zwischen dem Unfallereignis und dem Schaden, ist die Unfallversicherung nicht leistungspflichtig.

Geben Sie uns bitte drei Beispiele aus der Praxis, welche die geforderte Kausalität illustrieren.
Martin Bürkle:

  1. Die Leistung wird problemlos von der Versicherung übernommen: Ein Arbeitsunfall auf einer Baustelle, wie etwa, wenn eine Person ausrutscht, stürzt und sich das Bein bricht.
  2. Die Leistung wird gekürzt: Ein Versicherter springt kopfvoran in ein seichtes Gewässer ohne vorher die Wassertiefe zu prüfen und verletzt sich dabei.
  3. Die Leistung wird abgelehnt: Ein Bauarbeiter bückt sich nach einer Schaufel auf dem Boden und erleidet einen Hexenschuss. Es fehlt hierbei der "ungewöhnliche äussere Faktor", der für einen Unfall erforderlich ist. Der Hexenschuss gilt in diesem Fall als Krankheit: Die Krankenversicherung ist zuständig und nicht die Unfallversicherung.


Lassen sich diese drei Punkte in einer einprägsamen Aussage zusammenfassen?
Martin Bürkle: Eine Leistungspflicht der obligatorischen Unfallversicherung UVG besteht, wenn ein plötzliches, äusseres, unbeabsichtigtes Ereignis ursächlich für den Gesundheitsschaden ist. Fehlt der ungewöhnliche äussere Faktor, handelt es sich um eine Krankheit, die nicht von der obligatorischen Unfallversicherung UVG gedeckt ist.


In welchen Fällen kann die obligatorische Unfallversicherung UVG die Leistungen kürzen oder ganz ablehnen?
Martin Bürkle
: Die obligatorische Unfallversicherung UVG kann Leistungen kürzen oder ganz ablehnen, wenn besondere Umstände vorliegen, die entweder als Wagnis gelten oder wenn der Unfall durch vorsätzliches oder grob schuldhaftes Verhalten verursacht wurde.

Können Sie das bitte noch etwas näher erläutern?
Martin Bürkle: Wer sich bei einem Nichtberufsunfall einer besonders grossen Gefahr aussetzt, beispielsweise mit riskanten Sportarten oder gefährlichen Handlungen ohne angemessene Vorsicht, muss mit einer Kürzung um 50 Prozent der Geldleistungen rechnen. In besonders schweren Fällen, etwa bei unsinnigem oder verwerflichem Verhalten, kann die Unfallversicherung sämtliche Geldleistungen verweigern.

Und wie verhält es sich mit den relativen und den absoluten Wagnissen?
Martin Bürkle: Zentral bei der Frage, wann die Versicherung Leistungen kürzen oder ganz verweigern darf, ist die Unterscheidung, ob ein relatives oder ein absolutes Wagnis vorliegt:

  • Ein relatives Wagnis liegt vor, wenn die Tätigkeit an sich gefährlich ist, aber durch geeignete Vorsichtsmassnahmen sicherer gemacht werden könnte. Die Versicherung prüft also, ob die Person die Gefahr unnötig erhöht hat, beispielsweise beim Bergsteigen auf einer anspruchsvollen Route ohne ausreichende Sicherung.
  • Ein absolutes Wagnis liegt vor, wenn die Tätigkeit so gefährlich ist, dass keine Sicherheitsmassnahmen das Risiko auf ein vertretbares Niveau senken können. Die Handlung gilt als objektiv unvernünftig, selbst wenn der Versicherte alles richtig macht: beispielsweise Basejumping.


Können Grobfahrlässigkeit sowie relative und absolute Wagnisse versichert werden?
Martin Bürkle: Die Risiken aus grobfahrlässigem Verhalten sowie aus relativen und absoluten Wagnissen kann man mit einer UVG-Zusatzversicherung abdecken.

 

 
 

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