Fragen ?
Kontakt

 

Schleudertrauma

Anna Muster hat 1996 einen Auffahrunfall. Seitdem leidet sie unter einem Schleudertrauma. Sie bezieht zuerst eine ganze und dann ab dem 1. Februar 1998 eine halbe Rente der Invalidenversicherung (IV). Mit Verfügung vom 25. Februar 2010 wird die Rente aufgrund eines im November 2009 verfassten Gutachtens der Medizinischen Abklärungsstelle der IV eingestellt. Anna Muster wehrt sich.

Überprüfung der IV-Renten
Wer seine Erwerbsunfähigkeit mit Beschwerden ohne klar nachweisbare körperliche Ursachen begründet, erhält keine Invalidenrente. Man bleibt damit erwerbsfähig, weil sich die Beeinträchtigungen mit Willen überwinden lassen. Diesen Grundsatz hat das Bundesgericht in den letzten Jahren in verschiedenen Urteilen bestätigt. Betroffen sind namentlich Menschen mit Schleudertrauma, Müdigkeitssyndrom oder chronischem Schmerz ohne klinische Erklärung. Die Rechtssprechung ist in die seit 2012 geltende 6. Revision der Invalidenversicherung aufgenommen worden. Seitdem werden weniger als 15 Jahre laufende Invalidenrenten von unter 55-Jährigen überprüft, die ohne klare körperliche Ursachen gesprochen worden sind. Das ist auch einer über 50-jährigen Schleudertrauma-Patientin passiert.

Der Fall
Anna Muster hat 1996 einen Auffahrunfall. Seitdem leidet sie unter einem Schleudertrauma. Sie bezieht zuerst eine ganze und dann ab dem 1. Februar 1998 eine halbe Rente der Invalidenversicherung (IV). Mit Verfügung vom 25. Februar 2010 wird die Rente aufgrund eines im November 2009 verfassten Gutachtens der Medizinischen Abklärungsstelle der IV eingestellt. Anna Muster beschwert sich vor dem zuständigen kantonalen Verwaltungsgericht gegen diesen Entscheid. Sie hat Erfolg. Die halbe Rente wird fortgeführt. Dann gibt es aufgrund der 6. IV-Revision eine neue Überprüfung. Ergebnis: Mit Verfügung vom 16. Mai 2012 wird die halbe Rente von der IV-Stelle auf Ende Juni 2012 aufgehoben. Die neue Beschwerde von Anna Muster wird vom Verwaltungsgericht abgewiesen. Der Entscheid wird ans Bundesgericht weitergezogen.

Zumutbare Erwerbstätigkeit
Die obersten Richter unterstreichen erneut (Urteil 8C_972/2012): Ein Beschwerdebild rein aufgrund von Schilderungen der Betroffenen ohne jeglichen organischen Befund darf zu keiner Leistung einer Sozialversicherung führen. Sonst könnten versicherte Personen durch den alleinigen Beschrieb von Störungen eine Rente auslösen. Zudem sei eine Erwerbstätigkeit trotz Dauerschmerzen zumutbar, weil die Betroffenen ganzzeitlich und damit auch in der Freizeit davon betroffen sind. Mit oder ohne Arbeit müssen sie immer damit leben.

„Foerster-Kriterien“
Laut dem Bundesgericht ist den von Beschwerden ohne klinische Erklärung Betroffenen der Zugang zu einer IV-Rente aber nicht gänzlich verschlossen. Die Rechtsprechung hat mit den „Foerster-Kriterien“ Voraussetzungen umschrieben, unter denen sich eine rentenauslösende Arbeitsunfähigkeit dennoch nachweisen lässt. Zu den Kriterien zählen nachweisbare und chronische psychische oder körperliche Begleiterkrankungen der Beschwerden, ein ausgewiesener sozialer Rückzug in allen Belangen des Lebens oder gescheiterte Rehabilitationsanstrengungen trotz Motivation und Eigenanstrengungen der betroffenen Person. Wenn sich solche Störungen klinisch nachweisen lassen, hat der Arzt oder die Ärztin aufgrund dieser Diagnose die Arbeitsunfähigkeit zu schätzen.

IV-Stelle muss nochmals überprüfen
Im konkreten Fall kommt das Bundesgericht deshalb zum Schluss: Anna Muster erhält ihre halbe IV-Rente seit 1998 aufgrund einer Beschwerde ohne klare körperliche Ursache. Das ist unbestritten. Die IV-Stelle und das kantonale Gericht haben sich allerdings bei der Beurteilung der weiteren Berechtigung der Rente im Jahr 2012 im Wesentlichen auf das Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle vom November 2009 abgestützt. Ob dieses mit Blick auf das Erfordernis der Aktualität der ärztlichen Untersuchungen rund zweieinhalb Jahre später für eine Rentenaufhebung noch genügt, ist zweifelhaft. Deshalb weist das Gericht den Fall an die IV-Stelle zurück. Dort soll eine neue medizinische Abklärung durchgeführt werden, die auch die Möglichkeit des Vorhandenseins von „Foerster-Kriterien“ einbezieht. Anna Muster kann deshalb wieder hoffen, ihre halbe IV-Rente nicht zu verlieren.

 

 

Weitere Optionen