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schleudertraumaZuschrift von Dr. med. A. M. in B.: „Der Ausdruck ´Schleudertrauma` hat sich leider seit etwa 20 Jahren sogar bei den Ärzten, zuerst nur bei den Juristen und in den Medien, ´durchgesetzt`, wie man so schön sagt, und was ´sich durchsetzt`, ist grundsätzlich ´richtig`, sonst hätte es sich ja nicht durchgesetzt. Aber der Ausdruck ´Schleudertrauma` trifft in den meisten Fällen, in denen man ihn verwendet, nicht zu.“

Hier der gesamte Wortlaut der Zuschrift: Das Schleudertrauma ist ein Unfallmechanismus, eine Schädigung, die ganz kurze Zeit auf den Körper (oder die Seele...) einwirkt, wie beispielsweise eine Prellung oder eine Schussverletzung. Dieser Vorgang ist das Trauma, die Verletzung. Was am Körper oder an der Seele weiter bleibt, sind beispielsweise im Fall des Schleudertraumas "Folgen nach Schleudertrauma" (sehr allgemein ausgedrückt) oder "Zerrung der Halswirbelsäulenmuskulatur" oder "kognitive Störungen" oder im Fall der Prellung "Bluterguss" oder nach der Schussverletzung eine "Durchschusswunde des Brustkastens auf Höhe der 5. Rippe rechts von vorn lateral nach hinten medial".

Dann noch so nebenbei bemerkt: Der Ausdruck "Schleudertrauma" hat sich jetzt halt leider seit etwa 20 Jahren sogar bei den Ärzten, zuerst nur bei den Juristen und in den Medien, "durchgesetzt", wie man so schön sagt, und was "sich durchsetzt", ist grundsätzlich "richtig", sonst hätte es "sich" ja nicht "durchgesetzt". Aber der Ausdruck "Schleudertrauma" trifft in den meisten Fällen, in denen man ihn verwendet, nicht zu. In der ganz überwiegenden Zahl der Fälle, die so bezeichnet werden, handelt es sich beim Mechanismus um ein "zervikokraniales Beschleunigungstrauma", das heisst, eine Beschleunigung der Halsregion (des Cervix), insbesondere der Halswirbelsäule, und des Schädels (Cranium), mit Zerrung, meist der Muskulatur und Bänder, allenfalls noch zusätzlich mit Anprall von Kopf und/oder Weichteilen. Das Resultat nach diesem zervikokranialen Beschleunigungstrauma wäre dann Zerrung, Prellung, selten sogar Fraktur (Knochenbruch), manchmal Denk- und/oder andere psychische Störungen.

Anfänglich, vor etwa 20 Jahren, war man sich sogar einig, dass solche Traumen mit Frakturfolge definitiv nicht mehr als Schleudertraumen, nicht einmal als zervikokraniale Beschleunigungstraumen, zu bezeichnen seien, sondern eben nur nach dem Resultat, beispielsweise "Querfraktur des rechten Bogens des 5. Halswirbels".

Was wäre denn ein Schleudertrauma?
Erstens ein Unfallmechanismus, kein Resultat einer Verletzung (eines Traumas). (Notabene: Bei den Medien ist jetzt "klar", mit Ausnahme genau des "Schleudertraumas"*), dass "Trauma" eine psychische Verletzung, keine körperliche, sei. Das ist etymologisch und auch im Sprachgebrauch der Chirurgie falsch; ein ganzes chirurgisches Teilgebiet heisst ja "Traumatologie" und bezieht sich auf körperliche, nicht psychische, Schäden.)
Zweitens wäre der Mechanismus folgendermassen: Der Kopf, zusammen mit einem Teil des Halses, würde bei festgehaltenem Oberkörper wegen einer plötzlichen Beschleunigung oder Verzögerung gegenüber dem Oberkörper bewegt. Also insbesondere: Bei einem Aufprall auf ein Auto von hinten würde beim Lenker der Kopf und der obere Teil des Halses über die Rücklehne nach hinten abgeknickt, weil der angelehnte Oberkörper sich plötzlich, wegen dem Aufprall von hinten, beschleunigen und der Kopf zurückbleiben würde. Der Kopf dürfte dabei nirgends anprallen, an keiner Kopfstütze oder Seitenwand des Autos. Das wäre ein echtes Schleudertrauma. Ich habe es in meiner 38-jährigen Tätigkeit als Arzt nie gesehen.

*) Nein, wahrscheinlich meinen die Journalisten, genau wegen den angeblich obligatorischen psychischen Folgen des "Schleudertraumas" sei auch mit einem Schleudertrauma ein psychischer, nicht körperlicher, Schaden, hier nach einer zwar körperlichen Schädigung, gemeint.
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