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Schleudertrauma Jan 16Das Bundesgericht hat im Urteil vom 3. Juni 2015 (9C_492/2014) seine Praxis zur Beurteilung des Anspruchs auf eine Invalidenrente wegen somatoformer Schmerzstörungen und vergleichbarer psychosomatischer Leiden wie dem Schleudertrauma geändert: Die Überwindbarkeitsvermutung wurde abgeschafft. Jetzt hat das Bundesgericht einen Anschlussentscheid gefällt: Zuvor rechtskräftig beurteilte Fälle können nicht nochmals bei der IV angemeldet werden, wenn sich bei der betroffenen Person die Verhältnisse nicht grundsätzlich verändert haben.

Änderung der Praxis zur Beurteilung des Anspruchs auf eine IV-Rente
Im Bundesgerichtsurteil vom 3. Juni 2015 ist die Praxis zur Beurteilung des Anspruchs auf eine Invalidenrente wegen somatoformer Schmerzstörungen und vergleichbarer psychosomatischer Leiden wie dem Schleudertrauma grundsätzlich geändert worden: Es wurde die bis dahin geltende Vermutung aufgegeben, wonach all diese Leiden in der Regel mit einer zumutbaren Willensanstrengung überwindbar sind. Stattdessen muss neuerdings in einem strukturierten Beweisverfahren das tatsächliche Leistungsvermögen der betroffenen Personen ergebnisoffen und einzelfallgerecht bewertet werden.

Eine Frau will Neubeurteilung aufgrund der Praxisänderung des Bundesgerichts
Im Anschluss an die Praxisänderung gelangte eine Frau ans Bundesgericht, deren Anspruch auf eine IV-Rente 2011 rechtskräftig verneint worden war. 2013 hatte sie sich erneut zum Bezug einer IV-Rente angemeldet. Ihr Ersuchen wurde wiederum abgewiesen. Vor Bundesgericht machte sie nun unter anderem geltend, dass sie auch an einer psychosomatischen Störung leide. Nach der Praxisänderung des Bundesgerichts müsse ihr im Rahmen des neuen strukturierten Beweisverfahrens ein Anspruch auf Beweisergänzung eingeräumt werden.

Ablehnung der Beschwerde
Das Bundesgericht weist die Beschwerde der Frau ab (Urteil 8C_590/2015). Eine Änderung der Gerichtspraxis führt in der Regel nicht zur Anpassung einer rechtskräftigen Verfügung über eine Dauerleistung wie der IV-Rente. Eine Ausnahme kann unter anderem dann gelten, wenn sich die früheren Entscheide aus Sicht der heutigen Praxis schlechterdings nicht mehr vertreten lassen. Das ist bei der fraglichen Praxisänderung nicht der Fall. Mit dem Entscheid des Bundesgerichts vom vergangenen Juni erfolgte keine Änderung der Voraussetzungen, sondern des Nachweises für einen Leistungsanspruch. Die Aussicht auf eine Rentenleistung der IV ist nicht a priori gestiegen. Vielmehr betonte das Bundesgericht, dass auch in Zukunft dem klaren Willen des Gesetzgebers Rechnung zu tragen sei, wonach von der grundsätzlichen "Validität" der beweispflichtigen Person auszugehen sei. Rentenablehnungen unter der früheren Praxis erscheinen daher aus der heutigen Perspektive nicht ohne Weiteres als rechtswidrig, sachfremd oder schlechterdings unvertretbar.

Keine Wiedererwägung früherer IV-Entscheide ohne Veränderung in den Verhältnissen der Betroffenen
Die neue Praxis stellt für sich alleine keinen Grund für eine Neuanmeldung bei der IV oder eine Revision beziehungsweise eine Wiedererwägung früherer IV-Entscheide dar. Grund für eine Neuanmeldung kann nur dann bestehen, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse bei der betroffenen Person in der Zwischenzeit verändert haben.

 

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