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Fruhgeburt Mai 17Anfrage von Dr. med. vet. U. M. in K.: «Eine Praxismitarbeitende hat eine Frühgeburt. Das neugeborene Kind bleibt voraussichtlich noch zwei Monate im Spital. Entsprechend entscheidet sich die Mutter, den Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung aufzuschieben. Bin ich als Arbeitgeber verpflichtet, dieser Mitarbeitenden während des Aufschubs der Mutterschaftsentschädigung die Lohnfortzahlung zu gewähren?»

Das sagt das Erwerbsersatzgesetz EOG
Im Bundesgesetz über den Erwerbsersatz für Dienstleistende und bei Mutterschaft, dem sogenannten Erwerbsersatzgesetz EOG, steht in Artikel 16c über den Beginn des Anspruchs auf Mutterschaftsentschädigung: «Der Entschädigungsanspruch entsteht am Tag der Niederkunft. Bei längerem Spitalaufenthalt des neu geborenen Kindes kann die Mutter beantragen, dass die Mutterschaftsentschädigung erst ausgerichtet wird, wenn das Kind nach Hause kommt.»

Lohnlücke während des Spitalaufenthalts des Neugeborenen
Laut dem Arbeitsgesetz darf eine Mutter während acht Wochen nach der Niederkunft nicht beruflich arbeiten. Bei einem Aufschub der Mutterschaftsentschädigung und ohne Lohnfortzahlung des Arbeitgebers entsteht daher während des Spitalaufenthalts des Neugeborenen eine Lohnlücke. Das beeinträchtigt aus finanziellen Gründen die freie Wahl der betroffenen Mütter, von dem gesetzlich zugelassenen Aufschub der Mutterschaftsentschädigung Gebrauch zu machen.

Bundesgericht entscheidet: Betroffene Mütter haben vollen Anspruch auf Lohnfortzahlung
In einem Streitfall, der bis vors Bundesgericht gelangte, entscheidet das Bundesgericht: Mütter, die vom gesetzlichen Recht Gebrauch machen, die Mutterschaftsentschädigung wegen eines Spitalaufenthalts des Neugeborenen bis zur Heimkehr des Kindes aufzuschieben, haben während der Aufschubzeit vollen Anspruch auf die Lohnfortzahlung des Arbeitgebers (Bundesgerichtsentscheid 8C_90/2016).

Aus der Begründung des Bundesgerichts
Das Bundesgericht erläutert seinen Entscheid wie folgt: «Im Allgemeinen tritt die gesundheitliche Arbeitsunfähigkeit als Folge einer Krankheit oder eines Unfalles ein. Bei der Beschwerdeführerin hingegen war die Niederkunft ursächlich. Beiden Konstellationen ist gemeinsam, dass die Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung auf gesundheitlichen Gründen beruht. Es gibt keinen sachlichen Grund, einer Arbeitnehmerin, welche aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, zu arbeiten, den Lohnersatz zu verwehren, bloss weil der Grund der gesundheitlich bedingten Arbeitsunfähigkeit im Nachgang zu einer Geburt und nicht als Folge einer Krankheit oder eines Unfalles eintritt. Dies muss umso mehr gelten, als in der Regel von Gesetzes wegen die Arbeitsaufnahme nach der Niederkunft während acht Wochen verboten ist. Ob dies auch im vorliegenden Fall zutrifft, kann offenbleiben, da die Ungleichbehandlung so oder anders unrechtmässig ist. Deshalb gilt: Im vorliegenden Fall ist die Arbeitsunfähigkeit der Beschwerdeführerin nach ihrer Niederkunft eingetreten und durch ärztliche Atteste ausgewiesen. Im Rahmen der Gleichbehandlung mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, welche aus gesundheitlichen Gründen infolge eines Unfalles oder einer Krankheit arbeitsunfähig sind und vollen Lohnersatz erhalten, hat die Beschwerdeführerin Anspruch auf vollen Lohnersatz zu Lasten ihres Arbeitgebers.»

In der nächsten Ausgabe der ABC-E-News zeigen wir auf, wie das Urteil des Bundesgerichts in der Taggeldversicherung aufgefangen werden kann.



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