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VorsorgeausgleichImmer mehr Arztpraxen werden als Aktiengesellschaft geführt, sei es als Einzelpraxis mit nur einem Aktionär oder als Gemeinschaftspraxis mit mehreren Aktionären. Wenn die Praxis gut läuft, kann die Aktiengesellschaft bei der Pensionskasse Arbeitgeberbeitragsreserven für zukünftige Arbeitgeberbeiträge bilden. Diese schmälern jeweils als steuerbegünstigter Aufwand den Gewinn und damit die fällige Gewinnsteuer. Fragt sich, ob im Scheidungsverfahren des Einzelaktionärs oder des Aktionärs einer Gemeinschaftspraxis die bestehenden Arbeitgeberbeitragsreserven in die Berechnung des Vorsorgeausgleichs eingehen und damit die potenzielle Vorsorgeausgleichszahlung an den Scheidungspartner erhöhen.

Ein Fall gelangt ans Bundesgericht
Artikel 122 des Zivilgesetzbuches schreibt vor: «Die während der Ehe bis zum Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens erworbenen Ansprüche aus der beruflichen Vorsorge werden bei der Scheidung ausgeglichen.»
Eine Frau, deren Mann Verwaltungsrat und Aktionär einer kleineren Aktiengesellschaft ist, soll laut dem Scheidungsurteil von der Pensionskasse des Mannes auf ihr Freizügigkeitskonto eine Vorsorgeausgleichszahlung von 282'207 Franken erhalten. Die Frau ist damit nicht einverstanden, weil sie herausgefunden hat, dass die Aktiengesellschaft, an der ihr Mann massgebend beteiligt ist, bei der Pensionskasse erhebliche Arbeitgeberbeitragsreserven aufgebaut hat. Die Frau fordert vor dem Obergericht, dass die dem Mann anteilig zustehenden Arbeitgeberbeitragsreserven im Vorsorgeausgleich berücksichtigt werden und die Vorsorgeausgleichszahlung entsprechend erhöht wird. Der Fall gelangt ans Bundesgericht.

Bundegerichtsurteil 5A_130/2019 vom 11. Dezember 2019
Das Bundesgericht kommt aufgrund seiner Erwägungen zum Schluss: Die bei Einleitung des Scheidungsverfahrens einem Scheidungspartner zustehenden Arbeitgeberbeitragsreserven einer Aktiengesellschaft beschlagen künftige Beitragszahlungspflichten der Aktiengesellschaft und sind demnach nicht vom Arbeitnehmer bereits erworbene Pensionskassenansprüche. Deshalb bleiben die Arbeitgeberbeitragsreserven bei der Berechnung der gemäss Artikel 122 des Zivilgesetzbuchs zu teilenden Pensionskassenaustrittsleistung des betroffenen Aktionärs ausser Betracht. Es besteht auch keine gesetzliche Grundlage, die einem Scheidungspartner zuzurechnenden Arbeitgeberbeitragsreserven in eine hypothetische Austrittsleistung umzurechnen.
Ergo: Bei Scheidung gehen die Arbeitgeberbeitragsreserven für die Pensionskasse nicht in die Berechnung des Scheidungsvorsorgeausgleichs ein.

Wie werden die Arbeitgeberbeitragsreserven im Scheidungsverfahren berücksichtigt?
Wenn die Aktien einer Aktiengesellschaft in einem Scheidungsverfahren zur Ermittlung der Errungenschaft eines Scheidungspartners bewertet werden, gehen die vorhandenen Arbeitgeberbeitragsreserven bei der Pensionskasse in diese Unternehmensbewertung ein. Insofern werden die vorhandenen Arbeitgeberreserven im Scheidungsverfahren bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung gebührend berücksichtigt: Im Falle der Errungenschaftsbeteiligung, des gängigsten Güterstandes in der Schweiz, wird die gesamte Errungenschaft von Mann und Frau bei der Scheidung zwischen den Ehegatten hälftig geteilt.



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