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CovidimpfungFrage von Frau Dr. med. R. V. in G. : «Im Dienste des bestmöglichen Gesundheitsschutzes für meine Praxismitarbeitenden sowie für meine Patientinnen und Patienten will ich, dass sich meine Praxismitarbeitenden gegen COVID-19 impfen lassen. Eine bei mir teilzeitarbeitende Medizinische Praxisassistentin hat mir schon vor einiger Zeit signalisiert, dass für sie eine COVID-19-Impfung nicht infrage kommt. Darf ich meine Praxismitarbeitenden zwingen, sich gegen COVID-19 impfen zu lassen?»

Weisungsrecht des Arbeitgebers
Es gibt zwingende und fakultative gesetzliche Bestimmunen, welche die Arbeitnehmenden sowohl zur sorgfältigen Ausführung der ihnen anvertrauten Arbeiten als auch zur Wahrung der berechtigten Interessen des Arbeitgebenden verpflichten. Der Arbeitgebende kann für die Ausführung der Arbeiten und für das Verhalten im Betrieb allgemeine Anordnungen, allenfalls in Form einer formellen Betriebsordnung, erlassen. Er kann damit besondere Weisungen erteilen, welche die Arbeitnehmenden nach Treu und Glauben zu befolgen haben. Dieses Weisungsrecht erstreckt sich namentlich auf den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmenden und der Kundinnen und Kunden, im Fall einer Arztpraxis der Patientinnen und Patienten.

Einschränkung des Weisungsrechts des Arbeitgebers durch Persönlichkeitsrechte
Das Weisungsrecht des Arbeitgebenden wird durch die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers beschränkt: Ein Eingriff in diese Persönlichkeitsrechte muss für die Erfüllung des Arbeitsvertrags unbedingt erforderlich sein. Da die COVID-19-Impfung ein erheblicher Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmenden ist, stellt sich mithin in jedem Unternehmen die Frage: Für welche Arbeitnehmenden ist die COVID-19-Impfung ein Muss, damit der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmenden und der Kundinnen und Kunden beziehungsweise der Patientinnen und Patienten bestmöglich gewährleistet ist? Nur wo diese Frage zu bejahen ist, kommt eine Verpflichtung zur COVID-19-Impfung infrage.

Mitarbeitende in Arztpraxen mit engen Kontakten zu Patientinnen und Patienten
In den aktuellen Diskussionen über eine COVID-19-Impflicht lautet die herrschende Meinung: Mitarbeitende in Arztpraxen mit engen Kontakten zu Patientinnen und Patienten können im Dienste des bestmöglichen Gesundheitsschutzes der Mitarbeitenden und der Patientinnen und Patienten zwingend verpflichtet werden, sich gegen COVID-19 impfen zu lassen.
Diese Meinung wird von einem Entscheid des St. Galler Verwaltungsgerichts vom Oktober 2006 gestützt: «Die Verpflichtung einer Spitalangestellten zu einer präventiven Hepatitis B-Impfung ist ein zulässiger und verhältnismässiger Eingriff in die persönliche Freiheit beziehungsweise in die körperliche Unversehrtheit. Die Verweigerung der Impfung rechtfertigt die Auflösung des Anstellungsverhältnisses.»

Was geschieht bei Impfverweigerung trotz berechtigter Verpflichtung, sich impfen zu lassen?
Mitarbeitende in Arztpraxen mit engen Kontakten zu Patientinnen und Patienten, die trotz der im Dienste des Gesundheitsschutzes berechtigten Impfverpflichtung des Arbeitgebenden die COVID-19-Impfung verweigern, können an einen andern Arbeitsplatz oder ins Homeoffice versetzt werden. Ist eine solche Versetzung nicht möglich, ist ein Ende der Lohnfortzahlungspflicht und eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses gemäss der herrschenden Meinung die gerechtfertigte Ultima Ratio. Das bestätigt auch der Jusletter im Artikel «Klärung arbeitsrechtlicher Fragen im Zusammenhang mit dem Coronavirus»: «Vereinbart werden kann die Impfung als Voraussetzung für die Arbeitsleistung. Das muss namentlich beim Gesundheitspersonal möglich sein. Verweigert der Arbeitnehmer dann eine Impfung, kann sich die Arbeitgeberin wiederum weigern, seine Arbeitsleistung entgegenzunehmen, ohne nach Art. 324 Obligationenrecht in Annahmeverzug zu gelangen. Eine Lohnzahlungspflicht besteht dann nicht.»

Bundesgericht wird wohl entscheiden
Wegen COVID-19-Impfverweigerungen von Mitarbeitenden wird es wohl zu Gerichtsfällen kommen. In absehbarer Zeit könnte deshalb das Bundesgericht die hier dargelegte herrschende Meinung präzisieren und verfeinern.

Quellen: Lawnews «Impfpflicht im Arbeitsverhältnis», Neue Zürcher Zeitung «Gibt es für Angestellte bald einen Impfzwang?», Jusletter «Klärung arbeitsrechtlicher Fragen im Zusammenhang mit dem Coronavirus»



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