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Arzt BundesgerichtHausärztinnen und Hausärzte sind nicht verpflichtet, selber die früheren Krankenakten von Patientinnen und Patienten zu beschaffen, wenn diese trotz mehrfacher Aufforderung untätig geblieben sind. Das Bundesgericht bestätigt den Freispruch eines Arztes vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung. Eine Patientin war 2015 nach der Einnahme des vom Hausarzt verschriebenen Antibiotikums an einem allergischen Schock gestorben. Angehörige der Verstorbenen zogen den Fall bis vors Bundesgericht und scheiterten. Der Vorfall zeigt, wie wichtig ein obligatorisches Elektonisches Patientendossier ist: Das Risiko für solche tragischen Vorfälle wird minimiert.

Tod durch allergischen Schock nach Einnahme eines Antibiotikums
Der Arzt hatte der Patientin 2015 wegen akuter Bronchitis ein Antibiotikum verschrieben, das sie anschliessend in einer Apotheke bezog. Gleichentags verstarb die Frau an einem allergischen Schock, der durch das Medikament ausgelöst worden war. Das Strafgericht Kulm 2018 und das Obergericht des Kantons Aargau 2020 sprachen den Arzt vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei. Dagegen erhoben Angehörige der Verstorbenen Beschwerde ans Bundesgericht.

Mit einem verträglichen Antibiotikum wäre der Tod vermieden worden
Die Angehörigen machten geltend, dass der Arzt um die Überempfindlichkeit der Patientin auf das fragliche Antibiotikum hätte wissen müssen, wenn er nach den Regeln der Kunst vorgegangen wäre. Als neuer Hausarzt hätte er dafür sorgen müssen, in den Besitz der medizinischen Vorakten der Patientin zu kommen. Dann hätte er ein verträgliches Antibiotikum verschrieben und den Tod verhindern können.

Urteil 6B_727/2020 des Bundesgerichts
Das Bundesgericht weist im Urteil 6B_727/2020 die Beschwerde ab. Ein Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung setzt die Verletzung einer Sorgfaltspflicht voraus. Eine solche Sorgfaltspflichtverletzung wurde hier zu Recht verneint. Der Arzt hat die Patientin bei ihrem ersten Besuch im Rahmen der üblichen Erstanamnese zu ihrer Krankheitsgeschichte befragt. Dabei hat er sich auch nach Antibiotikaallergien erkundigt, was die Frau ausdrücklich verneinte. Darauf durfte sich der Arzt verlassen. Aufgrund der weiteren dem Arzt im Zeitpunkt der Verschreibung verfügbaren Informationen bestand für ihn kein Anlass, an den Angaben der Patientin zu zweifeln.

Der Arzt hat die derzeit gebotene Abklärungspflicht erfüllt
Das Bundesgericht unterstreicht: Insbesondere war der Arzt nicht verpflichtet, die medizinischen Vorakten der Frau zu beschaffen. Die Patientin wurde von ihm zuvor im persönlichen Gespräch aufgefordert, die früheren Akten beizubringen. Als diese ausblieben, hakte er bei einer späteren Konsultation nach und bat seine Patientin dringend darum, ihm ihre Krankenakten nachzureichen. Damit ist er den derzeit gebotenen Abklärungspflichten und seiner ärztlichen Sorgfaltspflicht hinreichend nachgekommen. Weder aus dem Heilmittelgesetz, noch aus den anerkannten Regeln der Branche, wie der Standesordnung der FMH, ergab sich für den Arzt eine Pflicht, selber aktiv zu werden und die von der Patientin – trotz mehrmaliger Aufforderung – nicht wahrgenommene Beschaffung der Krankenakten zu übernehmen.

Korrekt geführtes Elektronisches Patientendossier minimiert Risiko für solche Fälle
Der Vorfall deckt einen Nutzen für die obligatorische Einführung des korrekt geführten Elektronischen Patientendossiers glasklar auf: Das Risiko eines Todesfalls wegen des Unwissens einer behandelnden Ärztin oder eines behandelnden Arztes über fatale Allergien wird minimiert, da die Ärztin oder der Arzt sich rasch einen Überblick über die Krankengeschichte der Patientin oder des Patienten verschaffen kann.



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