Fragen ?
Kontakt

 

ErbrechtAm 1. Januar 2023 ist das neue Erbrecht in Kraft getreten. Die Rechtsanwältin Ramona Fischer beschreibt im swissblawg-Beitrag «Überblick über die wichtigsten Neuerungen des per 1. Januar 2023 in Kraft getretenen revidierten Erbrechts» sieben wichtige Neuerungen des revidierten Erbrechts. Es geht dabei neben den neuen Pflichtteilen auch um Präzisierungen für das Scheidungsverfahren, Erbverträge, Eheverträge oder die steuerbegünstigte Vorsorge 3a. Lesen Sie eine Zusammenfassung der sieben Neuerungen des revidierten Erbrechts, die man kennen sollte.

Erste Neuerung: Reduktion des Pflichtteils der Nachkommen und Abschaffung des Pflichteils der Eltern

Die gesetzliche Erbfolge bleibt im revidierten Erbrecht unverändert. Das heisst: Bei Ehepaaren wird beim Tod eines Ehepartners wie gewohnt zuerst die güterrechtliche Auseinandersetzung gemacht. Dann erben laut Gesetz und ohne Testament der Ehepartner und die Kinder je die Hälfte des Nachlasses des Verstorbenen. Aber im revidierten Erbrecht werden der Pflichtteil der Nachkommen gesenkt und der Pflichtteil der Eltern abgeschafft.
Konkret läuft das so: Der Pflichtteil der Nachkommen wurde von drei Viertel auf die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs reduziert, das ist ein Viertel des Nachlasses (die Hälfte der Hälfte). Der Pflichtteil der Ehegatten beträgt nach wie vor die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs, das ist gesgleichen ein Viertel des Nachlasses. Der Pflichtteil der Eltern fällt weg.
Daraus folgt: Wer einen Ehegatten und Nachkommen hinterlässt, kann gemäss neuem Recht mittels eines Testaments über die Hälfte des Nachlasses frei verfügen. Der Pflichtteil des Ehegatten und der Nachkommen beträgt diesfalls je ein Viertel des Nachlasses. Man kann mithin dem Ehegatten mittels eines Testaments bis zu drei Viertel des Vermögens vererben: ein Viertel als Pflichtteil plus die Hälfte als freie Quote.
Kommt dazu: Hinterlässt eine Erblasserin oder ein Erblasser beispielsweise einen Konkubinatspartner und keine Nachkommen, gelangt der Nachlass ohne abweichende testamentarische oder erbvertragliche Regelung laut der gesetzlichen Erbfolge vollumfänglich an die Eltern. Aufgrund der Abschaffung des Pflichtteils der Eltern können unverheiratete und kinderlose Personen mit einem Testament aber vollumfänglich frei über ihren Nachlass verfügen und den Konkubinatspartner begünstigen.

Zweite Neuerung: Wegfall des Pflichteilanspruchs während des Scheidungsverfahrens
Neu fällt der Pflichtteilsschutz von Ehegatten bereits im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens dahin (Artikel 472 ZGB). Verstirbt ein Ehegatte während des Scheidungsverfahrens, gelten die Pflichtteile, wie wenn er oder sie nicht verheiratet wäre. Nach altem Recht fiel der Pflichtteil eines Ehegatten erst mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils dahin. Wichtig: Während eines maximal zweijährigen Getrenntlebens vor dem Scheidungsverfahren, besteht der Pflichtteilschutz weiter.
Zu beachten ist überdies, dass auch nach neuem Recht der gesetzliche Erbanspruch des Ehegatten bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils bestehen bleibt. Soll dieser gesetzliche Erbanspruch ausgeschlossen werden, braucht es ein Testament.

Dritte Neuerung: Nutzniessung zugunsten des überlebenden Ehegatten
Ein verheirateter Erblasser kann bei gemeinsamen Nachkommen den überlebenden Ehegatten neuerdings stärker begünstigen, indem er ihm maximal die Hälfte des Nachlasses zu Eigentum und die andere Hälfte zur Nutzniessung zuweist. Dies ist nur möglich zulasten gemeinsamer Nachkommen, deren Erbteil diesfalls vollumfänglich mit der Nutzniessung belastet wird (Artikel 473 ZGB).

Vierte Neuerung: Schenkungsverbot bei Erbverträgen
Neu gilt der Grundsatz, dass bei Abschluss eines Erbvertrags nicht nur spätere Verfügungen von Todes wegen, sondern auch sämtliche Schenkungen nach dem Tod der Erblasserin anfechtbar sind, sofern sie mit den erbvertraglichen Verpflichtungen nicht vereinbar und nicht ausdrücklich im Erbvertrag vorbehalten worden sind (Artikel 494 Absatz 3 ZGB). Eine Ausnahme gilt für übliche Gelegenheitsgeschenke.

Fünfte Neuerung: Herabsetzungsreihenfolge
Das neue Recht klärt die bis anhin umstrittene Frage, ob und an welcher Stelle der «Intestaterwerb» herabsetzbar ist. Die Intestaterbfolge bezeichnet die gesetzliche Erbfolge, welche zur Anwendung gelangt, wenn die Erblasserin oder der Erblasser kein Testament gemacht hat. Das neue Recht erwähnt den «Intestaterwerb» neu explizit. Laut Art. 532 ZGB unterliegen der Herabsetzung der Reihe nach, bis der Pflichtteil hergestellt ist: 1. Erwerbungen gemäss der gesetzlichen Erbfolge oder «Intestaterwerb»; 2. Zuwendungen von Todes wegen; 3. Zuwendungen unter Lebenden.
Das neue Recht stellt überdies klar, dass Zuwendungen aus Ehevertrag als Zuwendungen unter Lebenden zu qualifizieren sind. Sie sind damit erst an dritter Stelle herabsetzbar.

Sechste Neuerung: Ansprüche aus der steuerbegünstigte Vorsorge 3a
Das neue Recht stellt klar, dass neben Versicherungsansprüchen auch die Guthaben von Begünstigten aus der steuerbegünstigte Vorsorge 3a nicht in den Nachlass fallen. Die Begünstigten haben nach dem Tod des Erblassers einen eigenen, direkten Anspruch gegenüber dem Versicherer oder der Bank. Die Guthaben werden allerdings zur Pflichtteilsberechnungsmasse hinzugerechnet und unterliegen entsprechend auch der Herabsetzung (Artikel 476 ZGB).

Siebte Neuerung: Ehevertragliche überhälftige Vorschlagszuweisung
Das neue Recht stellt klar, dass die ehevertragliche überhälftige Vorschlagszuweisung an den überlebenden Ehegatten für die Berechnung der Pflichtteile des überlebenden Ehegatten sowie der gemeinsamen Kinder nicht hinzugerechnet wird (Artikel 216 Absatz 2 ZGB). Dies bedeutet, dass die Pflichtteile der gemeinsamen Kinder basierend auf dem reinen Nachlass berechnet werden, wie er nach Vornahme der ehevertraglich geregelten überhälftigen Vorschlagszuweisung vorliegt. Da geht es nur noch um das Sondergut des Ehegatten.



Weitere Optionen