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Arzt-EPD«Eine Patientin war 2015 nach der Einnahme des vom Hausarzt verschriebenen Antibiotikums an einem allergischen Schock gestorben. Angehörige der Verstorbenen zogen den Fall bis vors Bundesgericht und scheiterten. Der Vorfall zeigt, wie wichtig ein obligatorisches Elektronisches Patientendossier ist: Das Risiko für solche tragischen Vorfälle wird minimiert», schreiben wir in den «ABC-Info, 2021-12». Dr. med. U. K. in Z. entgegnet: «Mit Ihrer Schlussfolgerung bin ich überhaupt nicht einverstanden». Lesen Sie, weshalb Dr. med. U. K. das Elektronische Patientendossier EPD in der aktuellen Form gar nicht gut findet, unsere Antwort auf diese EPD-Kritik und die Replik von Dr. med. U. K. auf unsere Antwort.

Die harsche Kritik von Dr. med. U. K. am Elektronischen Patientendossier EPD

«So, wie das Elektronische Patientendossier EPD derzeit funktioniert, werden PDF-Dokumente ohne sinnvolle Bezeichnungen einfach chronologisch im elektronischen Patientendossier abgelegt sein. Aktuell ist nicht geplant, eine Volltextsuche zu implementieren. Man wird also beispielsweise mit der Bezeichnung ‘Allergie’ das Dokument mit dem Hinweis auf eine bestimmte Antibiotikaallergie nicht mit ein paar Klicks finden können. Ich wünsche deshalb viel Vergnügen, beim Öffnen von Hunderten von Dokumenten, die sich über die Jahre bei einer Patientin angesammelt haben. Eine obligatorische Teilnahme am EPD wird das Problem noch verschlimmern, weil einerseits alle Teilnehmenden Dokumente ablegen werden und der Datenfriedhof noch grösser wird. Andererseits wird man dann Ärztinnen und Ärzte verklagen, weil sie ja theoretisch Zugriff auf die Daten gehabt hätten.
Ergo: Ein ‘korrekt geführtes EPD’ und ein ‘rascher Überblick’ würden neben einer eingebauten Volltextsuche bedingen, dass jemand die Diagnoselisten und die Medikamentenlisten stets nachführt, die Allergien aufdatiert, alle Berichte mit einem Thesaurus korrekt bezeichnet und so weiter. Das ist mit viel Zeitaufwand verbunden. Wer soll das tun? Die Hausärztinnen und Hausärzte, von denen es sowieso schon zu wenige gibt? Und: Eine Entschädigung für diese Tätigkeiten ist bisher im Tarmed ebenfalls nicht geplant.»

Auszug aus unserer Antwort auf die Kritik von Dr. med. U. K.
«Klar, die Anhäufung von PDFs in einem Elektronischen Patientendossier EPD genügt nicht, vielmehr braucht es im Schweizer Gesundheitswesen unter Einbezug des Elektronischen Patientendossiers einen umfassenden sicheren elektronischen Datenaustausch nach allen Regeln der modernen Informationstechnologie.
Das ist offenbar auch bei den einschlägigen Akteuren bekannt. Im Artikel «Schleppende Digitalisierung im Gesundheitswesen gefährdet das Kronjuwel der Schweizer Wirtschaft: Jetzt will die neugegründete Interprofessionelle Arbeitsgemeinschaft ‘IPAG eHealth’ die Digitalisierung endlich voranbringen» haben wir in den ‘ABC-Info’ im Sinne Ihrer berechtigten Kritik am derzeit bestehenden Elektronischen Patientendossier geschrieben: ‘Das Elektronische Patientendossier EPD hat sich zu einem System entwickelt, das ohne tiefgreifende Anpassungen dem Zweck eines dynamischen Datenaustausches zwischen den Leistungserbringenden und den Patientinnen und Patienten vorerst nicht gerecht werden kann. Eine Ablage von Patientendaten und Gesundheitsdokumenten unter sicherem Verschluss kann nicht genügen, um Lösungen für Patientinnen und Patienten zu erarbeiten, die kosteneffizient, hochqualitativ und nachhaltig sind. (…) Das Elektronische Patientendossier vereint mit dem Datenaustauschsystem der Zukunft muss zwingend Effizienzgewinne und Mehrwerte sowohl für die Patientinnen und Patienten als auch für die Gesellschaft und die Leistungserbringenden generieren. Damit die Digitalisierung im Medizinal- und Gesundheitswesen endlich eine Erfolgsgeschichte wird, müssen sich alle Leistungserbringer wie Ärztinnen und Ärzte voll für die umfassende Digitalisierung einsetzen.’»

Auszug aus der Replik von Dr. med. U. K. auf unsere Antwort
«Für mich sind folgende Voraussetzungen für einen erfolgreichen Einsatz des Elektronischen Patientendossiers EPD Bedingung:

  • Das EPD muss direkt aus dem jeweiligen Praxisinformationssystem automatisiert mit Daten gespiesen und auch gelesen werden können. Jedes Parallelsystem ist abzulehnen, weil der Aufwand für die Grundversorger sonst nicht zu stemmen ist.
  • Die juristische Haftung bei Teilnahme am EPD muss geklärt sein und darf nicht einfach auf die Teilnehmenden mit einer Informationspflicht abgewälzt werden. Es muss klar sein, wer haftet, wenn die Daten nicht aktuell sind wie beispielsweise die Medikamentenliste oder ein Allergiepass.
  • Das EPD muss für die teilnehmenden Leistungserbringer sowie Patientinnen und Patienten freiwillig bleiben. Wer aus Überzeugung teilnimmt, tut das mit Freude und motiviert als Leistungserbringer auch die Patientinnen und Patienten.
  • Das aktuelle Berechtigungssystem im EPD muss für die Patientinnen und Patienten vereinfacht werden.
  • Das EPD muss für die Teilnehmenden kostenneutral sein. Falls es für Teilnehmende etwas kostet, müssen gleichwertige Effizienzgewinne generiert werden.
  • Das EPD muss Kommunikation ermöglichen, das heisst ‘Datenaustausch’, und darf nicht nur eine Datensammelstelle sein. Beim bisherigen Konzept ist das noch nicht der Fall.
  • Die Dokumente im EPD müssen sinnvoll benannt werden gemäss einem Thesaurus, was bisher noch nicht geplant ist.
  • Eine Volltextsuche im EPD muss möglich sein.
  • Der Zugang ins EPD muss mittels eines einfachen Identifikationssystems in den Praxen ermöglicht werden: Beispielsweise eine Passworteingabe einmal pro Tag für die ganze Praxis oder Zertifikate auf jedem berechtigten Computer.


Es ist verlockend, eine obligatorische Teilnahme zu fordern. Aber ZUERST sollten die Voraussetzungen für die Ärztinnen und Ärzte und alle andern Teilnehmenden stimmen. Man kann nicht fordern, dass alle auf der Autobahn nach Adelboden fahren müssen, solange diese nicht gebaut ist.»

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